Man sollte den Bogen nicht überspannen!

Lena und ich sitzen nach Feierabend auf meiner Dachterrasse und lassen, leicht fröstelnd, unser Liebesleben an uns vorbeiziehen. Dabei schlürfen wir einträchtig den frisch gebrühten Kaffee, und ich gönne mir vom Kuchenteller ein besonders üppiges Stück Marzipantorte.

„Im Leben nicht mehr! In meinem ganzen Leben werde ich mich nicht mehr verlieben!“, verklickere ich schmatzend meiner Freundin. Zur Bekräftigung steche ich meine Gabel inbrünstig in das vor mir liegende Kuchenstück. Lenas skeptischer Blick spricht allerdings Bände. Also verleihe ich meiner Stimme den nötigen Nachdruck. „Tag und Nacht mit einem Mann zusammen sein…“, fahre ich mit vollem Mund fort, „...steht nicht auf meiner persönlichen Wunschliste. Auf der Suche nach so einem bin ich jedenfalls nicht, eher auf der Flucht!“- „Logisch!“, kommt mir Lena entgegen, „wenn ich sieben, nee, fast acht Jahre mit einer Arschgeige vertan hätte, würde ich auch so argumentieren!“

Aber das ist bei mir definitiv nicht so. Ich lebe gern allein – ohne Rundumpartner!

„Dass Schimi eine Arschgeige ist, streite ich gar nicht ab, aber wenn ich ehrlich sein soll, habe ich meine Wohnung noch nie gerne mit einem Mann geteilt!", bekräftige ich eindringlich. Lena schüttelt unwillig den Kopf. Misstrauisch beäugt sie mich. „Du kannst mir erzählen was du willst, doch ich denke, dass du ihn immer noch nicht abgeschrieben hast. Irgendwie vermisst du deinen Schimi!“, ereifert sie sich. „Wahrscheinlich boykottierst du jede neue Beziehung, weil dein Herz noch an ihm hängt!“ Wütend starre ich Lena an. Am liebsten würde ich ihr umgehend mit einem großen Stück Bienenstich das lose Mundwerk stopfen. Doch ich bewahre Contenance und beruhige mich mit einem Glimmstängel. Schweigend paffe ich vor mich hin.

Wäre ja noch schöner, wenn ich diesen Saukerl vermissen würde!

„Warum mache ich denn einen großen Bogen um ihn, wenn ich ihn sooo sehr vermisse?“ gifte ich mein Gegenüber an. Lena steckt sich eine Lucky Strike an und antwortet nonverbal, indem sie mir ihren besserwisserischen Gesichtsausdruck präsentiert. Dumme Kuh! Um ihr zu beweisen, dass sie sich irrt, rufe ich in ihrem Beisein Michael an und verabrede mich mit ihm. Triumphierend schaue ich sie an. Resigniert schaut sie zurück.

Als Lena weg ist, bin ich einige Minuten damit beschäftigt, meinen Kopf gegen die Wand zu hauen. Wenigstens dabei kann ich nicht viel verkehrt machen!